Axel Grünewald
Text zu seiner Fotoarbeit Elbe
FOTOARBEITEN
15.10 - 16.11


Die Themen des Fotografen Axel Grünewald sind nicht die großen Dillemmata des Alltags, deren unablässige und mannigfaltige Belichtung insbesondere in Nachrichtengestalt instrumentalisiert zur Verunklärung und Ratlosigkeit beiträgt. Grünewald fokussiert auf das Periphere, versucht das Vorläufige und Vorüberziehende hervorzuheben und das Ungefähre und Fremde, dort wo seine Erklärungsfähigkeit als Beobachter versagt, zu entdecken. Kurz: Grünewald betont das Unvollkommene und stellt das Dazwischen heraus.

Die präsentierten Bilder entstammen einer größeren Reihe von Fotografien, die Grünewald seit Mitte der 90er Jahre im einstigen Zonenrandgebiet, in der Umgebung der Elbe anfertigte.

Hierbei bedient sich der Künstler Spurensichernden Arbeitsweise (großformatige Ausschnitte, Tiefenschärfe und Horizont, als Kontrast zu früheren Arbeiten). Er fragmentiert die Welt, jedoch nicht nach analytischen Gesichtspunkten, um sie weiter zu verschlüsseln oder enträtseln zu wollen – nicht zuletzt wird das Ergebnis dank des peripheren Blicks stets offengehalten. Der Künstler nutzt die Vagheit als Schwäche der Fotografie und hebt sie als deren Qualität hervor.

So sind die Ablichtungen Fragmente, die auf die Ausschnitthaftigkeit, Mehrdeutigkeit und zugleich auf die begrenzte Aussagefähigkeit des einzelnen Fotos verweisen. In der Zusammenstellung – denn die Fotos funktionieren als Serie – wird dem Chaos von Ausschnitten unter Aspekten formaler Korrespondenzen und inhaltlicher Divergenzen ein Betrachtungsrahmen gesetzt. Auch wenn formale Struktur und austarierte Präsentation vorübergehend Halt bieten, so wird dem Betrachter aufgrund der Perspektivwechsel des Beobachters (Grünewald) von Bild zu Bild dennoch jegliches Ordnungsprinzip entzogen, was zu einer Irritation des Sehens führt. Gleichsam bricht der scheinbar dokumentarische Charakter der Serie, insofern das einzelne Foto hier nicht als Dokument, sondern als Zeichen verstanden werden will. Ist die Fotografie doch letztlich stets Belichtung einer vergangenen Gegenwart, das Phänomen nicht die Sache selbst. Entsprechend gilt es, den Titel Elbe nicht topografisch zu deuten. Vielmehr dient der Ort als Vorwand, als Notwendigkeit für den Künstler, um überhaupt arbeiten zu können. In den Bildern selbst fehlt jeglicher historisch interpretierbarer, spezifisch zeit- oder ortsgebundener Hinweis, wodurch sich die Arbeiten betont metaphorisch geben und den Anspruch auf eine universelle Wiedererkennbarkeit zu erheben scheinen: Wiedererkennen von Grundsätzlichem.

Für den Betrachter wird das Foto zum Material, das die eigene Distanz von der abgebildeten Zeit und dem abgebildeten Ort vergegenwärtigt und so vor einem zu großen Vertrauen in die Authentizität des Mediums warnt. Glaube soll durch Zweifel ersetzt werden. Dem Künstler hingegen bietet die Beschäftigung mit Ihm unbekannten eine erhöhte Wahrnehmungsintensität, die nicht nur zu neuen Bildresultaten, sondern dort, wo der Blick seinen Augen nicht mehr traut, gleichsam zu neuen Erfahrungen und Erkenntnissen führen kann. Die fotografische Technik erscheint als Möglichkeit, sich zur Welt zu verhalten, sich ein Bild von ihr zu machen, sein Verhältnis zu ihr zu klären. Die Fotografie gestaltet sich als ein Erfahrungsgegenstand, ein zu befragendes Material, letztlich auch, um sich der eigenen Fragwürdigkeit zu versichern.